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3649 Kilometer - Durch Sonnenblumen und Wein bis zum weiten Ozean

Einmal quer durch Bulgarien.

Der geradelte Teil unseres Aufenthalts im Land

Nach der Zeit in Rumänien nahmen wir Bulgarien für uns ganz anders war:

Zwar gab es Straßenhunde, doch lange nicht in dem Ausmaß. Außerdem waren diese ganz schön schüchtern und liefen (außer einer Ausnahme) von ganz alleine davon.

Müll trafen wir auch dort an den unmöglichsten Orten an - doch gab es hier eine geregelte Müllabfuhr und so waren die Ausmaße lange nicht vergleichbar. Die Straßen und Dörfer waren sehr sauber. Jedoch hörten wir in einer Stadt folgende Aussage von einem Mädel, als jemand Müll auf den Boden warf: "Es ist schon hart im Land. Wir werfen einfach Müll auf die Straße, weil wir wissen, dass am nächsten Morgen die Roma kommen, die den Job haben, die Straßen zu säubern." So läuft das also ab... Auf die Nachfrage hin, dass uns das schon in Dörfern aufgefallen sei und wieso das denn so läuft, dass wir nur Romas die Straße kehren sehen, kam die Antwort, dass sie andere Jobs nicht bekommen. (Ob nun die Roma nicht arbeiten wollen, wie es die landläufige Meinung widerspiegelt oder sie nicht dort arbeiten dürfen, wo sie gerne wollen würden, bleibt dahin gestellt.) 

Unser Konsum an Tomaten - die wohl saftigsten, intensivst schmeckenden und größten unseres Lebens - nahm zu, der Börek-Konsum blieb gleich. Zudem wurden wir regelmäßig zu glücklichen Obst-Dieben, denn an jeder Straße säumten sich nun herrenlos herumstehende Bäume mit unzähligen Mirabellen und Aprikosen in allen Farben und Größen. So konnten wir endlich mal etwas zurückgeben, wurden wir doch so oft mit Gemüse oder Sonstigem beschenkt: So pflückten wir wie die Großen und beschenkten alle Menschen, die wir trafen mit Obst. Das war schön!

Das Durchfahren der Dörfer war jedes Mal wieder spannend, ob schockierend oder erfreulich: Im einen Dorf pulsierte das Leben förmlich und auf dem Dorfplatz war ein richtig fröhliches Treiben; im nächsten Dorf schien wieder alles ausgestorben, fast alle schönen Häuser standen leer, es waren nur alte Menschen anzutreffen und man konnte sich nur noch vorstellen, wie trubelig das Leben im Dorf wohl mal gewesen sein könnte.

Auch anders wurden uns die Folgen vom Ende des Kommunismus und dem Wandel im Land deutlich: Wie in Rumänien gehen auch in Bulgarien wahnsinnig viele Menschen in andere Länder, um besser bezahlte Arbeit zu finden. Dazu lassen viele Eltern ihre Kinder alleine im Land zurück, die dann großteils bei den Großeltern oder im Internat aufwachsen. Ohne ein aktives Familienleben wachsen die Jugendlichen nicht gerade auf, wie man sich das wünschen würde. Die sozialen Folgen, die jetzt schon existieren, aber die in einigen Jahren folgen werden, mag man sich gar nicht ausmalen. So haben wir im Land oft erlebt, dass sich die Bürger selbst nicht sicher sind, welche politische Richtung sie nun tatsächlich befürworten sollen. 

 

Hoher Besuch, Geburtstagsprinzessin und großer Genuss

Und es war soweit... Wir durften zum ersten Mal auf unserer Reise Besuch empfangen. Tine´s Eltern kamen extra eingeflogen, um gemeinsam mit uns den Geburtstag von Tine zu feiern und ein paar gemeinsame Tage zu genießen. Der Begriff Genuss trifft unsere gemeinsame Zeit im Rückblick ganz gut!

Vier Nächte verbrachten wir gemeinsam am hügeligen Ufer der Donau. Unser Zuhause war ein Weingut mitten im Nirgendwo, das ganz alleine auf einem Hügel umringt von Weinreben und Sonnenblumen residiert und wir thronten dort oben, genossen die Aussicht und das Leben. Wir erkundeten die Umgebung, besuchten alte in Stein gehauene Felskirchen, die nächstgelegene Stadt Ruse, eine alte Festung, spielten hoch emotional Karten, aber vor allem genossen wir... Und was könnte man wohl besser auf einem Weingut genießen als Wein? Das wussten wir auch nicht. Und so genossen wir dortigen vorzüglichen Wein.

Es war wunderbar, dass das Zuhause einfach zu uns geflogen kam und wir Alle Zeit hatten zu erzählen.

Am Geburtstag durfte die Geburtstagsprinzessin ihre Geburtstagsgesellschaft zu einem Wine-Dinner einladen. Und da das Personal des Weinguts nicht wirklich darin geschult war das Wine-Dinner auch fachlich zu begleiten, wir leider gar nichts über den Wein lernten und stattdessen lediglich Wein ausgeschenkt wurde, übernahmen wir vier Kenner das einfach selbst. So hatten wir einen wunderbar amüsanten Abend und verkünstelten uns damit uns die Weinherstellung und den besonderen Geschmack eigenständig daher zu reimen.

Danke, dass Ihr da ward!

 

Man darf ja mal noch träumen...

Auch wenn das hier in unserem Tagebuch noch nie erwähnt wurde, verfolgten wir schon seit Serbien einen Plan, den wir von Tag zu Tag weiter ausklügelten und alles uns Mögliche probierten, um diesen Plan umsetzen zu können.

Die Donau ist lang, der Weg nach China ist noch länger und so dachten wir uns, dass es doch ganz nett wäre, einen Teil unserer Reise entlang der Donau auf dem Schiff zurückzulegen.

Ursprünglich wollten wir zu einem Hafen gehen, um einen Kapitän eines Transportschiffes für Öl, Sand oder Sonstiges zu fragen, ob er nicht Lust habe in seiner Langeweile zwei verrückte Reisende für einige Kilometer aufzunehmen. Diesen Plan entwickelten wir weiter...

Seit Passau folgen nicht nur wir der Donau, sondern auch eine Horde an Kreuzfahrtschiffen, die Touristen entlang der Donau bis zum Delta ins Schwarze Meer befördern. In fast jeder größeren Stadt begegneten wir diesen auffälligen Menschen-Rudeln, die mit Stadtführern die Highlights erkundeten. Wenn wir aufeinander trafen, folgten immer sehr spannende Gespräche und es prallten Welten aufeinander, weil wir dieselbe Route doch sehr unterschiedlich erfuhren. So entstand der Plan, dass wir uns gerne für eine Nacht auf einem solchen Kreuzfahrtschiff einmieten und köstlich speisen wollten, um im Gegenzug einen Bildervortrag für die etwas betagteren und doch im Herzen sehr abenteuerlustigen Reisenden zu halten. Und so verbrachten wir viele Stunden in diversen Reise-Hotlines, beschwatzten Tourismus-Beraterinnen und suchten Taktiken zum Erfolg. Die übereinstimmende Antwort lautete: Eigentlich ist es nicht gestattet, doch sollte der Kapitän es erlauben, spricht nichts dagegen! Nach der Abfahrt von Tine´s Eltern radelten wir schließlich zur nächsten Hafenstadt, um wollten dort über zwei Tage jegliche Kreuzfahrtschiffe abpassen. Würden wir ein Kreuzfahrtschiff erobern und damit zum Delta der Donau reisen? Leider fuhren die meisten Schiffe bereits vom Delta zurück in Richtung Deutschland. Tatsächlich trafen wir am Ende einen höchst motivierten Reiseleiter, der sofort Feuer und Flamme war uns mitzunehmen. Da auch er auf der Rückreise nach Westen war, bot er uns allerdings an im nächsten Schiff zehn Tage später an Bord zu kommen. Wir waren stolz wie Bolle am Ende doch gesiegt zu haben und die Möglichkeit für die Mitfahrt angeboten zu bekommen!

Nach langen kräftezehrenden Überlegungen kamen wir zu dem Schluss, dass es zwar schön wäre unseren Plan in die Tat umzusetzen, wir aber nicht so lange warten wollen. So schossen wir den ganzen Plan letztendlich doch in den Wind, entschieden uns gegen das Donau-Delta und radelten im Rekord (zumindest unserem) bis an die Küste des Schwarzen Meeres.

 

Auf dem Weg hatten wir eine ulkige Begegnung:

Wir radelten an diesem Tag schon viel zu viele Kilometer und wollten gerne einen Platz für unser Zelt suchen. Das Problem dabei:

Wir brauchten Wasservorräte für die Nacht, befanden uns aber irgendwo im Nirgendwo. Es war viel zu schön zum Weiterradeln zwischen den begrasten Hügeln, die in der Abendsonne leuchteten. Doch es hilft ja bekanntlich nichts zu meckern!

Plötzlich - keiner weiß warum - befand sich am Straßenrand eine riesige Wasserstelle, die zum Trinken einlud. Wir wollten uns gerade reichlich daran bedienen, als Tommi die Inschrift am Brunnen auffiel, die mit einem Ausrufezeichen versehen war. Wie immer in diesem Bulgarien - auf Kyrillisch und somit für uns nicht zu entziffern. Nichts half, noch nicht einmal GoogleTranslater. Was sollte es wohl heißen? "Kein Trinkwasser!" Oder vielleicht "Achtung, nur für Tiere!" 

Um nicht einer weiteren Magen-Darm-Zwangs-Pause zu erliegen, hielten wir Autos an, um die Fahrer zu bitten uns die Botschaft zu übersetzen. Schließlich erbarmte sich eine junge strahlende Frau, begleitete uns zum Brunnen und übersetzte lauthals lachend:

"Ohne Sonne und Wasser macht das Leben keinen Sinn!"

Und so wurde diese paradiesische Landschaft doch noch für eine Nacht unser Zuhause. Auf dem nächsten Hügel verbrachten wir die Nacht in unserem kleinen Million-Star-Hotel und verabschiedeten uns gebührend von der Donau, unserer treuen Reiseführerin, die inzwischen mehr braun als sonst irgendetwas war.

 

Ansonsten gibt es über die Tage in Richtung Meeresküste nicht viel zu berichten, außer Autos, Asphalt, Landstraßen, Hügel, Hitze, unendliche Zeltplatz-Suchen, verwirrt dreinblickende Menschen und "abwechslungsreiche" Ausblicke: kilometerlange Sonnenblumen-Felder, kilometerlange Weizen-Felder (mal abgemäht, mal nicht, mal gerade am Abmähen), oder gar kilometerlange Mais-Felder, um dann wieder Linien von nicht enden wollenden Sonnenblumen zu folgen...

 

Glücklich Am Schwarzen Meer

Der 113. Reisetag war lang, wir fanden keinen Zeltplatz und so waren wir gezwungen weiter zu radeln, weiter bis wir unseren Augen nicht mehr trauen konnten. Es war ein atemberaubender Moment, der sich eigentlich schon lange angebahnt hatte und nun doch so unwirklich war - nach einem der unzähligen Anstiege breitete sich vor uns zum ersten Mal das Schwarze Meer aus. Wow, war das Meer weit! An der nächsten Möglichkeit hielten wir an, lagen uns in den Armen und konnten es nicht fassen. Nun hatten wir es wirklich geschafft und sind von Zuhause bis ans Schwarze Meer geradelt.

Zur Feier des Ereignisses verbrachten wir direkt zwei Nächte am Strand, um dann noch eine weitere Nacht zu bleiben. Einfach, weil wir es können! Was uns zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst war: Wir befanden uns tatsächlich am wohl letzten großen wilden Strand an der kompletten bulgarischen Meeresküste, der nicht von Hotel-Palästen zugebaut ist. Auch hier sollen diese hässlichen Prunk-Bauten hingestellt werden, weshalb es große Communities gibt, die zum einen mehrmals im Jahr den Strand von Müll befreien, und zum anderen gegen die Großinvestoren kämpfen. Wir wünschen ihnen so sehr, dass sie gewinnen, auch wenn wir mal wieder befürchten, dass das Geld siegen wird.

Wir lernten das Schwarze Meer dort komplett anders kennen, als wir es uns immer vorgestellt hatten:

Langer feiner Sandstrand umringt von Felsen, klares Wasser (und ganz entgegen der Vorstellung von Tine´s Nichte nicht schwarz!), und lauter feine und entspannte Menschen, die einige Tage abseits von allem im Zelt an der Küste verbringen wollen. Und so lebten wir wild campend im Paradies Bulgariens und taten: NICHTS. Nach den Strapazen der vergangenen Tagen, wo der ganze Tag eng getaktet war, um all die Kilometer unterzubekommen, und in der Dämmerung vor den fleißigen Landwirten versteckt schnell ein Plätzchen zu finden, zu kochen und letztlich tot in unser Zelt zu fallen. Denn der Wecker würde früh klingeln...

So war der Strand "Karadere" ein wahres Geschenk und ein mehr als würdiger Willkommensgruß für uns zwei Radler, wo wir mit unseren bulgarischen Zelt-Nachbarn tranken und lauthals fröhlich musizierten, sonst einfach zu zweit die Ruhe genossen und es nicht fassen konnten, wenn wir morgens aus dem Zelt direkt auf die Wellen blickten.

 

Als wir schließlich weiter radelten, entdeckten wir, dass Bulgariens Küste in weiten Teilen doch so ist, wie in unseren Vorstellungen. Zugebaut, ewige Sonnenschirm- und Liegestuhl-Reihen, stillose Einkaufsmeilen und für die jeweiligen Orte schier nicht tragbare Touristenströme. Zum Glück hatten wir die Küste auch anders erleben dürfen!

 

Schön an der bisherigen Zeit in Bulgarien war auch, dass wir endlich mal wieder höchst gesellige Abende mit jungen Menschen verbachten: Einmal mit rumänischen Jungs aus Bukarest, die uns wiederum in ein ganz anderes Rumänien blicken ließen, als wir das auf dem Land erlebt haben. Außerdem in der Hafenstadt unter einer riesigen Freundes-Clique unserer Couchsurferin, wo wir uns gefühlt haben wie in der heimischen Kneipe an der Straßenecke.