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5283 Kilometer - Fünf Menschen mit zehn Reifen zwischen Kälte und Dünen.

Fünf Menschen mit zehn Reifen zwischen Kälte und Dünen.

Ein Abenteuer der Extraklasse

Von Tabriz im Nord-Westen des Landes haben wir es kurzerhand tatsächlich angepackt, um uns zu fünft mit Rädern aufzumachen durch die Weiten des Irans. Und der Iran ist ganz schön weit, haben wir bemerkt!

 

Doch wer sind diese fünf Menschen...?

Die Crew

Tommi

Der bereits altbekannte Landstreicher, der zum DJ mutierte und die Horde durch die Wüste zog.

Zahra

Unsere unglaublich herzensgute & lebenslustige iranische Gastgeberin, die uns 15 Nächte lang in ihrem Zuhause in Tabriz aufgenommen hatte und uns auf Tour diverse Lagerfeuer bescherte.

Tine

Die Freundin des Landstreichers, die die Crew in die Welt des Trampens einführte.

Quinten

Der Sprüche-klopfende & herrlich selbstironische Belgier, der sich darauf einließ nach mehreren Monaten alleine auf dem Rad fast 3 Wochen mit 2 radelnden Pärchen zu verbringen

Arash

Der Freund von Zahra. Unser Tanzbär, Bergsteiger und geduldiger Übersetzer & Helfer in allen Lebenslagen. 


Die Route

Zu fünft mit vielen Platten und vielen verschiedenen Bedürfnissen haben wir schnell bemerkt, dass wir gar nicht so schnell voran kamen auf fünf Fahrrädern. Darüber hinaus hat uns die Kälte in der Höhe in den Nächten ganz schön zugesetzt... Direkt aus Tabriz heraus fuhren wir schneebedeckten Bergen entgegen. Abends hielten wir uns mit Freudenfeuern bei Laune. Morgens wachten wir auf, alles Wasser gefroren, die Sommerschlafsäcke der anderen haben ihnen ganz schön Streiche gespielt. Auch im Iran gibt es Winter! 

 

Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt...

...und so haben wir unser Abenteuer einfach erweitert, um in möglichst kurzer Zeit in die Wärme des Südens zu fliehen. Mit allen möglichen Gefährten, die uns samt Rädern mitnahmen. Innerhalb zwei Tage waren wir fast 900 Kilometer getrampt und viele Erfahrungen und uklige Erlebnisse reicher. 

 

Das Highlight:

Der LKW-Fahrer Amir erbarmte sich tatsächlich, als wir ihm vom Straßenrand aus den Daumen entgegen streckten. Er räumte sein Bett auf, das sich hinter den Sitzen im Führerhaus befindet, verstaute mit den Jungs die Räder im Bauch des LKWs und kurze Zeit später saßen wir überwältigt und zu sechst im Truck. Vorne auf den Sitzen Amir und Arash, zwischen ihnen die Shisha, hinten auf dem Bett wir vier anderen wie die Ölsardinen bestückt mit Ukulele und völligem Hochgefühl, dass wir nun alle fünf gemeinsam über 500 Kilometer bis nach Isfahan fliegen durften. Wir lauschten Musik, machten Musik und tranken natürlich... viele Tassen Tee.

Wir hatten eine unglaublich amüsante Fahrt. Und als wir in der Nacht in Isfahan ankamen und bemerkten, dass unser angesteuerter Campingplatz geschlossen hat (Mit der Aufschrift: „Wegen Kälte geschlossen. Suche Dir besser eine Unterkunft!“), nächtigten wir fünf kurzerhand im Laderaum des LKW und rollten unsere Isomatten auf Pflanzenöl-Kanistern aus. 

 

Das eigentliche Radl-Abenteuer begann danach von Isfahan aus, wo wir uns durch die Wüste radelnd nach Yazd, der Hochburg der Granatäpfel, aufmachten.

Auf unserer Karte kannst Du Dir die Strecke ansehen.

 

Rollend in die Wüste

Wir radelten in ewigen Weiten, schliefen mehrmals in Moscheen, sprangen zwischen den Dünen und bestaunten Bauwerke.

 

Eine Nacht in der Moschee.

Arash machte tatsächlich beim Aufseher klar, dass wir fünf Reisende im Gebetsraum unser Nachtlager aufschlagen dürfen. Und so hatten wir ein gemütliches Zuhause zwischen Käsefuß-Teppichen und Rosenwasserduft, und entkamen der anhaltenden nächtlichen Kälte. Bei seinem abendlichen Besuch brachte der Aufseher dann eine Kompanie an Dorfkameraden mit. ...Und es kamen immer mehr. Wir erzählten, tranken Tee, Arash stand für uns geduldig Rede und Antwort. Einer der Männer sagte: „Braucht Ihr noch etwas zu essen?“ Darauf ein anderer: „Mach doch hier nicht solche taroof-Anspielungen. Hole ihnen doch einfach etwas!“ (taroof = Verhaltensweise, im letzten Artikel beschrieben.) Gesagt, getan. Schon waren sie weg, düsten ins Dorf und kamen kurze Zeit später mit einer Tasche voller Granatäpfel, Orangen und 9 Broten wieder.

Und im Nachhinein schon beeindruckend: Da kamen wir aus dem Nichts und nahmen deren Gebetsraum ein mit all unseren vielen Taschen, Schlafsachen, Kocher,... Und die Herren kamen, freuten sich an uns und die Situation war, als wäre es das Normalste und Selbstverständlichste der Welt für sie. 

So schlummerten wir spät und tief auf den Käsefuß-Teppichen, Männer & Frauen gemischt in einer normalerweise streng geschlechtsgetrennten islamischen Einrichtung – und das ganz ohne Heirat!

 

Weiter ging es bis Varzaneh, ein Dorf am Rande der Wüste, wo wir zwei Nächte in einem traditionell persischen Herrenhaus aus Lehm unterkamen. Das bedeutete für Tommi & Tine zum einen – nach vier Wochen mal wieder ein Bett! Zum anderen bedeutete das Ruhe und Genuss in einem Innenhof mit Brunnen in der Mitte und gemütlichen mit Kissen bestückten Sitzecken. Wir passten uns der iranischen Konsumkultur abseits von Alkohol an und erfreuten uns an vielen Kannen Tee und der ein oder anderen Shisha. Wir fanden Zeit für Kartenspielen, Route planen, reden und lachen.

 

 

Einen Nachmittag tauchten wir in die Welt des Sandes ein und machten die Wüste unsicher. Schon unwirklich – an einem Punkt geht sie plötzlich los, die endlos scheinende Wüstenlandschaft. Uns hat der Aufenthalt schwer beeindruckt. Zwischen Sandsturm, Lagerfeuer, Sonnenuntergang und Schwebezustand.

...Und das Beste: Der Sand verzeiht einfach alles und wir konnten springen - so hoch unsere Beine uns katapultierten.

 

Bis zu unserem Endziel Yazd waren es noch rund 200 Kilometer - auf dem Weg ganze zwei Dörfer. 

Für uns bedeutete das harten Gegenwind, Schotterpiste, genaue Essensplanung, kaum Wasser, fast keine Zivilisation, aber auch einfach Hochgefühl beim Anblick der unglaublichen Weite und ausgesetzten Landschaft. Genau so hatten wir uns das Radeln im Iran vorgestellt.

 

Eine Nacht verbrachten wir nach 60 Kilometern durchs Nirgendwo in einer ehemaligen Karawanserei, ganz alleine zwischen den alt ehrwürdigen Mauern. Eine Karawanserei ist eine meist ummauerte Herberge, hier an einem Arm der Seidenstraße gelegen. Hier konnten reisende Händler mit ihren Kamelen und Waren nächtigen, ihre Waren lagern und auch Handel treiben.

Wir ließen unsere rollenden Kamele rasten und wärmten uns wie die Tradition es will - mit Lagerfeuer. Die Flammen tanzten an den alten Mauern, die Sterne gaben ihr Bestes.

Zum ersten Mal mussten wir hier unserem Wasserfilter mehr als nur vertrauen. Denn entgegen aller Angaben gab es dort nicht wie eigentlich geplant: frisches Wasser. Stattdessen nur ein stehendes und vor Miniatur-Würmchen dunkles Wasserbecken. Der Tee schmeckte beschissen. Doch wir überlebten!

 

Wir rollten vorfreudig auf Zivilisation weiter, lauschten der Musik des DJ-Tommi (Danke für Eure grandiosen Playlists!), lachten was das Zeug hielt, tanzten am Wegesrand unentdeckt (denn Tanzen ist für Frauen eigentlich verboten) und hatten einfach eine herrliche Zeit alle zusammen.

 

Durch die Gassen des Wüstendorfs Nadushan

In einem abgelegenen und historischen Dorf, das noch nicht vom Tourismus entdeckt und ausgesaugt wurde, radelten wir ein und Ahmad lud uns am Straßenrand kurzerhand zum Tee in die Werkstatt seines Freundes ein. Und weil das nicht reichte, durften wir direkt auch bei Ahmad und seiner Schwester im Haus unterkommen. Wir traten ein, tranken Tee und den restlichen Tag war das Wohnzimmer gefüllt. Es kam die Nachbarin, und sie blieb. Es kam der Ehemann, und er blieb. Es kam der Freund aus der Werkstatt mit Kind, und er blieb.

Weil alle so glücklich über unsere Zusammenkunft waren, blieben wir gleich noch eine zweite Nacht. Die Schwester Fatime führte uns durch alle versteckten Ecken des Dorfes, das aus lauter traditionellen Lehmbauten besteht. Im Entenmarsch wuselten wir durch die engen Gassen, durch verlassene Anwesen, Ruinen und zu einer Burg, auf den gesperrten „Moving Tower“ (...und der Name ist Programm), durch Moscheen, wo wir den Gesängen lauschten und Tee genossen und besuchten die Familie.

Am Abend bedankten wir Europäer uns mit einer Pfannkuchen-Party.

 

FAKTEN aus dem Tagebuch

* Im Iran werden beispielsweise Haferflocken & Reis inklusive Steinen verkauft. Vor dem Verzehr die Produkte also dringend erst mal durchsuchen!

* Außerdem gibt es im Iran noch Inzucht! Es ist eine alte iranische Tradition innerhalb der Familie zu heiraten, die in Dörfern tatsächlich noch gepflegt wird.  

* Apropos Heirat: Der Mann darf mehrere Ehefrauen gleichzeitig haben.

* 1 Liter Wasser kostet im Iran genauso viel wie 1 Liter Benzin.

* Das Spazieren durch Dörfer & Städte wird immerzu begleitet vom passiven aber durchdringenden Geruch von Gas. Denn: Gas ist günstig, gibt es überall, und Lecks müssen deshalb scheinbar nicht repariert werden. Für eine deutsche Nase, bei der Gasgeruch direkt Gefahr auslöst, ein anstrengendes Unterfangen.

 

DIESE GRANATÄPFEL

An einem Nachmittag auf einem Dorfplatz schlachteten wir zufrieden sieben Granatäpfel, die uns auf der Straße immer wieder von vorbeifahrenden Autos geschenkt worden waren.

Am Ende des Nachmittags saßen wir mit 18 neuen Granatäpfeln - groß, rot und saftig – da, weil allerlei Menschen aus dem Dorf zu Besuch kamen und uns beschenkten.

Frau Tine war glücklich!

 

Die Granatäpfel wurden zum Symbol unserer gemeinsamen Zeit. Das bei uns so wertvolle Obst, wird hier gehandelt wie bei uns die Äpfel.

Jedes Mal aufs Neue: ein Gaumenschmaus.


Schließlich radelten wir bis in die Oasenstadt Yazd, wo wir nun rasten und ruhen. Was für Abenteuer wohl als nächstes warten...

 

Zum Abschluss

Uns hätte nichts Schöneres passieren können als dieses gemeinsame Abenteuer. Natürlich war die Zeit auch wahnsinnig zehrend und anstrengend - über Wochen 24 Stunden zu fünft mit tausend Entscheidungen, Kulturcrash, Kälte und Anstrengung.

Aber: So eine intensive Zeit schweißt zusammen.

Wir haben neue Freunde gefunden! Nicht nur irgendwelche Freunde, sondern Menschen, die uns sehr ans Herz gewachsen sind und zu Vertrauten wurden. Und wir haben einfach saumäßig viel Quatsch gemacht!

Wer weiß, wann wir uns wiedersehen...

Während der Zeit durften wir vielen Geschichten von Menschen lauschen, denen wir über den Weg radelten, weil wir tapfere und geduldige Übersetzer mit uns hatten. Diese Geschichten gehen im Normalfall auf der Reise immer an uns vorbei...

Unsere Iraner erklärten uns weiterhin unermüdlich alle uns unverständlichen Situation und waren auch selbst so voller Freude ein anderes Eck ihres Heimatlandes entdecken zu dürfen.

Wir hatten es jedenfalls außerordentlich gut!

...und auch Quinten fand zufrieden seinen Platz, weshalb wir auch jetzt noch jeden Tag beisammen sind.