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7117 Kilometer - Mehr Drogen für das Nashorn.

1 Jahr rollen wir.

Zwischen Elefanten, Busleichen, Prozessionen und einer Geburtstagsparty für den König - natürlich auf dem Highway Number 1.

Im Anschluss an unsere erste Wandertour im Himalaya-Gebiet hörten sie nicht auf zu rufen, die Berge Nepals. Und wir blieben. Wir wollten nochmal wandern gehen.

Doch der Pass unserer erträumten Wanderung, der Umrundung des Annapurna-Massivs, blieb von zunehmenden Schneemassen bedeckt und geschlossen. Tine machte sich daraufhin eine Woche lang auf Yoga zu machen, im Gebiet, wo die philosophische Lehre ursprünglich herkommt (genau genommen aus Indien), mit Blick auf den Phewa-See. Tommi spazierte auf eigene Faust für drei Tage durch die Landschaft. Doch auch danach blieb der Schnee. Wir verwöhnten uns im durch den jahrzehntelangen Wander-Tourismus schwer westlich geprägten Pokhara mit vielem, was wir seit sehr langer Zeit herbei gesehnt hatten: Brotzeit mit Laugengebäck, einem richtigen Laib Brot und einem großen Stück Berg-Käse (vom Yak), Open-Air-Kino, genossen (richtigen!) Kaffee, gingen aus und verbrachten viel gesellige Zeit mit Freunden.

Doch der Schnee blieb, der Pass deshalb zu und wir ließen die Berge rufen so laut sie wollten und holten schließlich unsere einsamen Räder zurück auf die Straße!

 

Von Tag zu Tag kroch nun die unausweichliche Hitze des nahenden Sommers ein Stückchen mehr aus der Ecke. Und das während wir uns durch die östliche Hälfte Nepals quälten, immer dem Highway Number 1 folgend. Und nein, die uns verhasste Straße ließ wenige positive Überraschungen übrig für uns! Wir radelten an unzähligen ausgebrannten oder komplett verbeulten Reisebus- und LKW-Leichen vorbei. Wir hatten einige echt ungute Situationen im Verkehr, die mehr als knapp waren und uns an die Nieren gingen. Und Tommi überrollte die Ukulele, als sie bei einer Unebenheit auf die Straße polterte. Doch der Koffer hielt, was wir von ihm erwarteten.

Zum Glück erlebten wir auch allerhand schöne kleine und große Ereignisse am Wegesrand... 

 

Motorisierte Ziegen

Diese Ziegen beziehungsweise deren Halter haben uns beim Radeln echt einige Male ziemlich zum Schmunzeln gebracht. Ganz schön was mitmachen tun sie hier.

* Ein Reisebus heizt an uns vorbei. Auf dem Dach zwischen Taschen & Koffern steht eine Ziege, die sich krampfhaft gegen den Fahrtwind stemmt.

Dieses Szenario wiederholte sich noch einige Male.

* Wieder laute Motorgeräusche - dieses Mal ein flitzendes Motorrad mit zwei Männern bepackt. Auf einmal blitzen uns zwischen den Männern Fell und die Hinterläufe einer Ziege entgegen. Hinterteil links, Kopf rechts. So fährt die Ziege quer zwischen den Männern auf dem Sitzpolster mit. Vielleicht ihre letzte Fahrt...

* Morgens machen wir in einer Bushaltestelle Rast. Ein Hirte spaziert mit seinen acht Ziegen an uns vorbei. Er stellt sich mit ihnen an den Straßenrand, als würde er auf den Bus warten. Darüber, dass er es wirklich täte, haben wir nur gewitzelt... Plötzlich hält ein Mini-Minibus (so etwas kleines kennt man in Europa nicht) mit bereits 4 Insassen und fast voll. Ein weiterer Mann steigt ein, alle rücken zusammen und dann geht es los: Ziege 1 hüpft hinein, gefolgt von Nummer 2,.. Irgendwann können sie nicht mehr hüpfen. Zu eng. Doch der Hirte stopft und ordnet. Sobald er als letztes auf den Bus hüpft, geht sie weiter die wilde Fahrt. Wir staunen schmunzelnd!

 

Einen Tag gehen wir dem Highway fremd.

Dass es sich bei der nächst kleineren Bundesstraße parallel zum Highway direkt um Sandpisten und Sandwüsten in Flussbetten handeln würde, konnte ja niemand ahnen... Doch mit einigem Dagegen-Stemmen kamen wir auch mit unseren Lastgäulen bis zur gegenüberliegenden Seite des Flussbetts. In der Regenzeit wäre kein Durchkommen gewesen!

Es war ein wunderbar spannender Tag weit ab vom Trubel des Highways, der Ader des Landes. Doch auch hier ist man keine Minute alleine. Überall Menschen in diesem Land.

Wir kämpften gegen Sandstürme und kamen sehr schleppend vom Fleck, was super war, weil wir viel Zeit zum Schauen hatten, wohnten vielen Prozessionen bei, verbrannten in der Sonne, kosteten allerlei Spezialitäten (natürlich unter dauerhafter Beobachtung des Dorfes), lauschten den dröhnend-singenden Dorflautsprechern und genossen es sehr, das

etwas verstecktere Nepal zu entdecken.

Und zu den vielen Schulkindern auf einem der Bilder:

Tine wartet, während Tommi etwas einkaufen geht, mit den Rädern am Straßenrand. Bedacht haben wir dabei nicht, dass es sich um die Hauptkreuzung der Kleinstadt handelt und alle Schüler gerade Feierabend haben... Als Tommi zurück kommt, sieht er statt Tine nur noch eine riesige aufgeregte Menschentraube. Ungefähr 80 uniformierte Wesen umringen sie staunend und fröhlich und versperren ihr alle möglichen Fluchtwege. Mit dem Rücken zur Wand.


Korruption an der Basis.

Die vielleicht schönsten Geldscheine der Welt. Mit all den besonderen Tieren des Landes. Und auf allen Rückseiten thront der Mount Everest.
Die vielleicht schönsten Geldscheine der Welt. Mit all den besonderen Tieren des Landes. Und auf allen Rückseiten thront der Mount Everest.

So oft wie in Nepal wollten uns auf der ganzen Reise noch nie Menschen über den Tisch ziehen. Dafür hier im Land mindestens 1 Mal am Tag.

Warum, das reimen wir uns nur zusammen. Sobald wir jedenfalls touristische Flecken des Landes verließen und mit Menschen bezüglich Geld in Kontakt kamen, ging der Stress los - ob beim Essen gehen, beim Obstkauf oder bei der Zimmersuche. 

Wir entwickelten von Tag zu Tag ausgefeiltere Techniken diesem Stress aus dem Weg zu gehen - aber wir vermuten, dass wir einfach zu freundlich und zu westlich sind, und nach einiger Zeit nur noch die Rupien-Zeichen in den Augen blinken.

Das Problem, das daraus für uns entstand, war, dass wir unser Verhalten immer schrecklich unfreundlich und als misstrauische Haltung empfanden zuerst alle Preise durchzukauen. Danach waren wir immer freundlich, fröhlich und wertschätzend, bedankten uns für das feine Essen und lobten es mehrfach in den Himmel (es ist ja auch gut). Die Laune in den Essensbuden war immer super, wir packten unsere lückenbehafteten Nepalesisch-Fetzen aus, welche fröhlich lachend korrigiert wurden, und die uns bekochenden Frauen & Angestellten hörten mit dem Strahlen gar nicht mehr auf. Und dann die plötzliche Wendung: Wir wollen bezahlen. Egal, wie wir es regelten, am Ende war der Preis immer ein anderer, und nie zu unseren Gunsten. So führte jedes Essen gehen am Ende zu Diskussionen und schlechter Laune. Daraus entwickelte sich wiederum auch, dass wir der Freundlichkeit unserer Gegenüber immer weniger trauten, weil noch die freundlichsten Menschen irgendwann ihr Gesicht änderten, um uns auszutricksen. 

 

Die Korruption der Politik, von der im Land viel gesprochen wird, zieht sich also bis in die kleinsten Ecken. Denn das Vorbild ist ja sehr erfolgreich im Geld-Wirtschaften, warum dann nicht selbst probieren...

 

Nashörner, Krokodile und Elefanten als NAchbarn.

Wir machten einen Abstecher in den Chitwan Nationalpark, denn Tommi wollte gerne Nashörner & Krokodile sehen. 

Und schon die Ankunft brachte eine völlige Überforderung an Eindrücken mit sich:

Als wir nach Sauraha, dem Dorf am Rande des Nationalparks, radelten, wehte uns überall der feine Duft von Hanfpflanzen entgegen. Die Straßenränder sind davon gesäumt wie Unkraut. Auf der Suche nach einer Unterkunft für die kommenden Tage radelten wir kreuz und quer durchs Dorf und kamen am East-Rapti-River vorbei, der den Nationalpark vom Dorf trennt. An den Ufern sonnten sich riesige Krokodile! Während wir diese bestaunten, rief uns plötzlich ein Ranger zu: "Kommt schnell mit, nehmt Eure Räder, da vorne spaziert das Nashorn!" Kaum zu glauben? Ist aber so. Vor einigen Jahren kam eine große Flut und schwemmte ein Nashorn-Kind mit, bis nach Indien. Es wurde dort gerettet und zurück gebracht. Doch die Mama dazu wurde nie mehr gefunden. Seitdem wird es im Dschungel von den anderen Tieren verstoßen. Das arme Tier. Deshalb lebt es nun im Dorf zwischen den Menschen, klaut ihnen den Kohl aus den Vorgärten, teilt die Straße mit den vielen Motorrollern und ist der absolute Selphy-König der Touristen! Und was wir später beobachteten - wie Kühe bei uns auf Wiesen grasen, grast das Nashorn in großen Massen das wirklich gute Gras!

Dass kurz später auch noch mehrere Elefanten an uns vorbei schlendern würden, das war dann wirklich zu viel für uns... Tine stand heulend und mit großen Augen am Straßenrand. Wir waren tatsächlich bis zu den Elefanten geradelt! Die Ausstrahlung von Elefanten können wir bis jetzt kaum in Worte fassen. Sie strahlen mit ihrer Größe und der Art der Bewegungen so viel Ruhe aus, bewegen sich mit einer unglaublichen Gelassenheit. Sah Tommi plötzlich klein aus neben diesen majestätischen großen Tieren! Doch die Elefanten auf den Straßen sind leider alle Arbeitselefanten, die zum Arbeiten mit Touristen gequält und an Ketten gehalten werden.

Am Abend wurde dann im Dorf auch noch Shiva gefeiert - aber dazu später mehr. :)

 

Die kommenden Tage erkundeten wir die Gegend mit unseren Rädern, besuchten Baby-Elefanten und beobachteten stundenlang, wie sehr das Verhalten von Elefanten dem der Menschen ähnlich ist. Auch hier gibt es Helikopter- und Laissez-Faire-Mütter, aber auf jeden Fall viel Liebe von ihnen für ihre Kinder. Auch Elefanten lernen ihr ganzes Wissen über die Jahre von den Eltern. Doch abseits der Wildnis geht über die Generationen unter den Arbeitselefanten mit Sicherheit so unglaublich viel Wissen bezüglich dem eigentlichen Leben in freier Wildbahn verloren!

An einem Tag kamen wir sogar noch zufällig bei der Farm von einigen Arbeitselefanten vorbei, durften ihnen ganz lange zuschauen, sie streicheln, Fragen stellen. Eine ganz schön stoppelige Angelegenheit.

 

Wir haben uns in der Zeit viele Gedanken über die unfreien Elefanten gemacht und hatten dabei meist ein ungutes Gefühl.

Aber was ist nun eigentlich der Unterschied eines Arbeitselefanten zu einem Pferd mit Scheuklappen, das eine Kutsche zieht, einem Rind, das sein Leben eingepfercht im Stall verbringt, um zu produzieren, oder anderen Nutztieren in unserer Heimat?

 

DER GOTT SHIVA RUFT ZUM DROGENKONSUM AUF.

"Happy Birthday" für Shiva, einem der Hauptgötter im Hinduismus, hieß es, als wir im Chitwan-Nationalpark ankamen.

Und was bedeutet dieses jährliche Fest in der Ausgestaltung?

Um Shiva zu ehren, konsumieren die Anhänger des Hinduismus Massen an Cannabis, dem Lieblingskraut des Gottes! Überall auf den Straßen wurde es uns angeboten. Am Abend gingen wir zum Tempel. Dort wurde gerade in einem überdimensionalen Wok über dem Feuer Milchreis-Pudding gekocht - die darin eingerührten Cannabis-Massen waren beeindruckend.

Es wurde Musik gemacht und die Menschen tanzten ausgelassen.

Man stelle sich ein deutsches Kirchenfest vor, wo der Pfarrer das Trommelorchester anleitet, die Gemeinde zum Drogenkonsum aufruft und später vor dem Altar die Gemeindemitglieder gedankenverloren tanzen und sich gegenseitig filmen...

15. März - Heute wird gefeiert!

Kurz vor dem Grenzübertritt zurück nach Indien war es dann soweit - der 15. März stand vor der Türe. Doppelter Grund zu feiern:

1. Tommi war der Geburtstagskönig.

2. Nun sind wir bereits seit einem Jahr auf dem Weg - rollend in Richtung Osten.

 

Wir machten Pausentag, gönnten uns (nach vielen Unterkünften, für die wir gerne bezahlt worden wären, dafür, dass wir darin nächtigten) ein ordentliches feines Hotelzimmer, freuten uns an hygienischen Zuständen, einer warmen Dusche, einem sauberen Bett, Hotelfrühstück, Auszeit für unsere Muskeln, Sekt und natürlich dem Geburtstagskönig.

Und die Reise geht weiter!


Unser Zelt, weite Landschaften, ein ruhiges Leben in der Natur und unsere Outdoor-Küche fehlen uns, seit wir in Indien eingeflogen sind, sehr. Überall sind Menschen, nirgends ist Ruhe. Die letzte Zeit sah der Radl-Alltag eher so aus: Wecker, Taschen packen und ans Fahrrad, radeln, frühstücken gehen, radeln, Mittagessen gehen, Preisdiskussion, radeln, Unterkunft suchen und für das kleinste Übel entscheiden, Abendessen gehen, tot ins Bett fallen.

Wir hoffen sehr, dass wir bald wieder etwas mehr Platz finden. Platz für entspannte Radl-Tage, an denen wir am Abend auf einer großen Wiese unser Zelt aufbauen können, daneben unser Abendessen kochen, während Tine die Ukulele schwingt.