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7456 Kilometer - Wo der Schwarztee wächst!

Umringt von grünen steilen Teegärten

Zu aller erst – eine Aufklärung zum Artikel „Asiatische Nazis“

Wir entschuldigen uns bei allen gut gläubigen Lesern, die bei unserem letzten Artikel „Asiatische Nazis“ an uns zu zweifeln begannen. Die Swastika (bei uns als Hakenkreuz bekannt) hat in Asien nichts mit Nationalsozialismus zu tun. Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein tausende Jahre altes Glückssymbol im Hinduismus.

Der Artikel ist am 1. April entstanden. Da wir aus der Ferne nicht Eure Krawatten abschneiden konnten, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen, um Euch etwas an der Nase herum zu führen. 

Wir entschuldigen uns, falls wir damit jemandem auf den Schlips getreten sind.

Die „INDIAN POST“ und wir.

Die Schar der neugierigen Postbeamten.
Die Schar der neugierigen Postbeamten.

Neben einem rot-leuchtenden Eisenguss-Briefkasten parken wir unsere Räder. Wir betreten das zwischen den anderen Hütten und Häusern sehr unscheinbare Gebäude mit einem protzigen Schild „INDIAN POST“. Im Innenraum erwartet uns eine Schalterhalle wie auf dem Bahnhof. Mindestens sechs Schalter reihen sich aneinander, die den Kunden mit einer Glaswand vom restlichen Geschehen abtrennen. Dahinter einige Mitarbeiter, von Außenwänden eingerahmt, welche von abbröckelndem Putz und kreuz & quer hängenden Kabeln verziert werden. Als einzige Kunden stellen wir uns an einen Schalter und bitten den Mitarbeiter um Briefmarken für Postkarten, die wir versenden möchten. Er erwidert kurz angebunden: „Das geht nicht, es sind Wahltage, kommt in vier Tagen wieder.“ Wir schauen uns verwirrt an - ist doch das ganze Postamt gefüllt mit untätigen Mitarbeitern. Er bleibt hartnäckig, sie könnten das heute nicht bearbeiten, unmöglich. Trotzdem legen wir unsere Postkarten mal auf die Ablage zwischen dem Mitarbeiterportal und uns. Mehrmals fragen wir belustigt, weshalb genau keiner der Mitarbeiter uns helfen könne, sind doch so viele anwesend. Eine zweite Mitarbeiterin kommt vorbei, neugierig, was diese fremdartig aussehenden Menschen denn wollen. Gemeinsam fangen sie an unsere Postkarten mit gedruckten Bildern unserer Reise anzusehen. Die Beiden beginnen zu diskutieren. ...Und wir denken uns – im Iran haben wir einiges gelernt – beharrlich bleiben ist das neue Motto! Ohne ein Wort oder Zeichen unsererseits - nur ein kurzer Augenkontakt - war uns beiden der Plan klar. Wir stehen also geduldig da, während immer mehr Mitarbeiter kommen, und die Postkarten zwischen diesen von Hand zu Hand wandern. Wir können uns das Grinsen kaum verkneifen, als irgendwann acht Mitarbeiter eine Schar bilden und wissen wollen, wo denn dieses und jenes Bild entstanden ist. Jeder, der fertig ist, bittet um ein Selphie. So warten wir schmunzelnd fast 20 Minuten, bis es auch den Mitarbeitern bewusst zu werden scheint, dass sie in diesem Moment dabei sind ihr eigenes Grab zu schaufeln und uns nun nicht mehr einfach abwimmeln können. Das sah sogar der Head-Officer ein, der extra fürs Foto sein Büro verließ. Und so bekamen am Ende alle, was sie wollten - sie ihre Infos und Selbstportraits und wir unsere Briefmarken. Und das trotz Wahlen!

 

Ausnahmezustand! Es ist sind Wahlen.

Übrigens: Wer in Indien seine Wahlstimme abgibt, wird mit einem Pinselstrich auf dem Finger markiert! Eine Woche später ist die Farbe immer noch da.
Übrigens: Wer in Indien seine Wahlstimme abgibt, wird mit einem Pinselstrich auf dem Finger markiert! Eine Woche später ist die Farbe immer noch da.

Die demokratischen Wahlen in Indien sind mit circa 900 Millionen Wahlberechtigten die größten weltweit. Über einen Monat werden in allen Regionen des Landes Wahlen abgehalten. Die Omnipräsenz des derzeitigen Machthabers Modi, der sich vom Teeverkäufer (Chaiwala) zum Premierminister des Landes hochgearbeitet hat, dessen Partei-Fahnen das ganze Land schmücken und von dem jeder spricht, lässt uns doch schwer daran zweifeln, dass jemand anderes die Wahl gewinnen könnte.

Jedenfalls steht während dieser logistischen Herausforderung das ganze Land Kopf. Zur Sicherheit werden Massen an Beamten von Militär und Polizei von District zu District gekarrt, um ordnungsgemäße Wahlen zu ermöglichen - allesamt schwer bewaffnet natürlich. Das ist deshalb so wichtig, weil es in Wahllokalen in ländlicheren Gegenden immer wieder zu Toten kommt. Auf den Straßen bewegen sich lange Konvois mit Lautsprechern, salutierenden Männern auf der Ladefläche. Dröhnende Reden mit Kundgebungen schallen weit. Die meisten Mühlen stehen über mehrere Tage still, Schulen und Läden werden geschlossen, Beamte dürfen ihr Amt nicht ausführen, Langstrecken im Land sind ausgebucht und Postbeamte versuchen keine Briefmarken auszugeben... Da alle Bürger nur in der Heimat wählen dürfen, findet eine unglaubliche Reisebewegung statt. Und wir befanden uns mittendrin in diesem Ausnahmezustand und warteten bei nicht mahlenden Mühlen ungeduldig auf ein Päckchen... Über fast drei Wochen wurden wir alle paar Tage um weitere paar Tage vertröstet. Doch schließlich erlebten wir eine wunderherrliche Zeit in einer indischen Familie, die uns verwehrt geblieben wäre, hätte das Päckchen nicht so lange auf sich warten lassen.

 

Mentalitätskrise für uns Reisende

Was sich schon in Nepal anbahnte und in Indien seinen Höhepunkt fand: Wir kommen in richtig vielen Punkten nicht mit der vorherrschenden Mentalität klar, uns gefallen die Gespräche und der gegenseitige Umgang nicht. So viel Egoismus – im Verkehr wie im Alltag. Die Kombination von für uns unschöner Mentalität und einem Reisealltag ohne Zelt macht uns echt zu schaffen und wir hoffen, dass wir in Myanmar wieder mehr nach unseren Wünschen leben können. Wir sehnen uns nach Freundlichkeit, einem netten ehrlichen Gespräch und wirklichem Interesse statt einer Höflichkeitsfrage als Auftakt für ein Selphie.

 

Die eigene Privatsphäre scheint uns weitestgehend abhanden gekommen. Wir haben keine Lust mehr auf Dreck, Müll, Lärm, ewiges Starren, uns unwillkommen fühlen.

Unser Resümee ist, dass Indien total toll zum Gucken ist, wir aber wenig Lust haben Teil des Lebens hier zu sein. Mit dem Fahrrad, der Art und Weise wie wir reisen wollen und worauf wir wert legen, ist das allerdings weit verfehlt. 

Es gibt immer wieder unglaublich schöne Attraktionen und Orte zu sehen. Doch die Distanzen dazwischen empfinden wir als echte Durststrecken. Der Aufbau von menschlichen Beziehungen ist dabei rar. 

 

Hinweis für zukünftige Indien-Reisende:

Trotzdem empfehlen wir Dir Indien total als Reiseland mit dem Rucksack. Das Land hat unglaublich viel Charme zum Reisen! Es gibt landschaftlich so tolle Flecken und spannende Orte zu erkunden, an der Kultur und den Traditionen im Land kann man sich nicht satt sehen, das Essen ist bombastisch, alles ist bunt, wirr und jeden Tag aufs Neue wartet ein Schockmoment an der nächsten Ecke. In touristischen Orten empfanden wir die Leute offener, mehr an das Andere gewöhnt.

 

Andere Gesichter

Was schon verrückt ist in dieser Welt: wie spannend das Andere doch immer ist. Dass wir viel fotografieren, dass wisst Ihr alle.

Was aber in unserem Blog gar nicht raus kommt: Wie oft andere Menschen uns fotografieren! In Indien erreicht diese Tatsache die bisherige Spitze. Würden wir für jedes Selphie anhalten, hätten wir wahrscheinlich gerade erst die Stadtgrenze von Delhi verlassen. Wir sind jeden Tag Dauermodells - schwitzend am Straßenrand, kauend in der Essensbude, radelnd zwischen den Autos,... Sind wir in der Öffentlichkeit, gehören die Selphies aber sowas von zu unserem Alltag dazu. Wir können es den Menschen nicht verübeln, wir finden das Andere ja auch spannend!

Das Einzige, was uns manchmal anstrengt, ist die Tatsache, dass Smalltalk von den meisten Indern nur angefangen wird, um uns nach ein oder zwei Höflichkeitsfragen um ein Selphie zu bitten. Danach sind sie ganz schnell weg – oft ohne ein Wort oder eine Verabschiedung. Und der nächste Bildverrückte steht schon bereit...


Unsere Route

Auf Augen- und Ohrhöhe mit den schwarzen Auspuff-Wolken und allzeit gegenwärtigem durchdringenden Dauergehupe – so lässt sich unser Radlalltag auf dem äußersten Fahrbahnrand der viel zu schmalen Straßen Indiens beschreiben. Wir nehmen alle vorherigen Aussagen zurück, die den indischen Verkehr als rücksichtsvoll und fast angenehm beschrieben... Die minütlichen Überhol-Manöver sind allesamt grenzwertig. Die Gerüche wechseln von verbrennendem Plastik zu Durchfall zu Abgasen zu feinem Essengeruch zu dreckigem Fluss zu Früchteduft zu Verwesung... Man weiß nie, was hinter der nächsten Kreuzung auf einen wartet! Es ist grässlich für uns hier zu radeln und hat nichts mit Spaß zu tun. Deshalb zweigten wir zurück in Indien ziemlich direkt wieder von der eigentlichen Route ab und radelten gen Norden über mehrere Tage steil bergauf auf kleinen Straßen in das Reich des Tees.  

Von dort machten wir uns zurück auf der eigentlichen Route auf den Weg gen Osten, wo wir bald in einen Zug hüpfen wollten, um mit Sack & Pack schleunigst zur Grenze zu reisen - auf nach Myanmar.

Beim Radeln in Indien verwehrten uns die Menschen das Zelten leider jedes Mal, wenn wir nachfragten. Daraus folgte, dass wir so viel Geld wie in Nepal & Indien auf der ganzen Reise nicht ausgegeben haben. Kaum zu glauben... Da wir nicht zelten können, geben wir (aus europäischem Blickwinkel zwar lächerlich wenig) für die Verhältnisse unserer Reisekasse pro Tag aber echt viel Geld aus, weil alleine die Übernachtung täglich um die 12 Euro kostet. Soviel haben wir normalerweise nicht mal fürs Essen gebraucht.

 

Schwirrende Moskitos, viel zu schnelle große Kakerlaken, Selphie-Attacken unserer Umwelt, im Müll grasende Kühe und das Problem an sauberes Trinkwasser zu kommen - all das gehört zu unserem Alltag. Frisch duftende Wäsche kennen wir nicht mehr. Der Bauch von Tine erholt sich wohl erst wieder nach unserer Rückkehr. Unsere Räder schnurren. Das Reise-Material hält (abgesehen von unseren Isomatten), was es versprochen hat. Unsere Kleider melden sich aufgrund der großen Beanspruchung zu Wort. Das Reiseschach war die wohl beste Investition der Reise. Und wir haben doch noch ganz arg viel Wunderbares erleben dürfen, von dem wir nun erzählen...

Also kein Grund zur Sorge: Uns geht es trotz allem echt gut und das Reisen taugt uns sehr.

 

Im Reich des Tees

Darjeeling-Tee. Wir dachten immer, dass es sich dabei um eine Teesorte handle, dass das aber tatsächlich eine Region & Stadt ist und es sich bei Darjeeling (wie auch bei Weinsorten) um eine Region dreht, lernten wir erst in Indien. 

Um mehr über den Tee zu lernen, radelten wir durch Teefelder auf einer alten britischen Militärstraße steil bergauf und machten einen neuen Rekord: 1000 Höhenmeter auf 10 Kilometer. Auf diesem Weg entdeckten wir zum ersten Mal das gelegentliche Schieben für uns. 

 

Tatsächlich drehte sich für über eine Woche alles um den Tee. Die Felder waren so schön anzusehen, die Zeit toll und lehrreich! In welche Richtung man auch schaute - überall Teefelder und Dschungelwälder. Stämmiger Bambus, riesige Palmen, wuchtige Banjan-Bäume (die tollsten Bäume, die wir je gesehen haben – die Äste wachsen an anderen Stellen wieder in den Boden und man weiß gar nicht, was der Mutterbaum ist). 

Die Arbeitsschritte der Tee-Herstellung.
Die Arbeitsschritte der Tee-Herstellung.

In einem Bergdorf wanderten wir wie die Einwohner auf steilen Pfaden zwischen den Teefeldern hindurch und stellten fest, wie hart das Leben dort oben ist. Zum Beispiel laufen sie zwei Mal am Tag für Trinkwasser zu einer Quelle, die eine halbe Stunde steil bergab liegt. Alles Wasser dabei auf dem Rücken!

Wir besichtigten eine seit 1859 bestehende Teefabrik. Wusstest Du, dass Grün- und Schwarztee aus den gleichen Teeblättern hergestellt wird und sich in der Verarbeitung nur in einem Arbeitsschritt unterscheidet? Wir auch nicht. Die Farbe des Schwarztees entsteht nur durch zusätzliches zweistündiges Fermentieren.

Knallhart zu sehen war die Beobachtung, dass die Teepflückerinnen auf den Feldern mit ihren Körben auf den Rücken von einem Mann angetrieben wurden, der (aus unserer Sicht) faul auf einem Felsen saß und nichts tat außer Anweisungen zu geben.

Unzähligen Serpentinen folgend verbrachten wir drei Tage auf besagter Militärstraße und durchquerten tolle unentdeckte Bergdörfer auf über 2000 Metern Höhe. Die Kälte und der Nebel umringten uns und erzeugten eine herrlich mystische Atmosphäre. Am Ende wartete das Etappen-Ziel – die Stadt Darjeeling (auf ca. 2300 m) im oberen Zipfel Indiens, umringt von Nepal, Tibet und Bhutan.

Wir fragen uns, wer sich den Bauplatz dieser Stadt ursprünglich ausgesucht hat... Denn es macht keinen Sinn! Überall ist es nur steil und eng und voll. 

Wir verharrten einige Tage in dieser wolkenverhüllten Stadt in unserem kalten ungeheizten Zimmerchen, weil Tine krank war und erkundeten die Stadt, die ihre Blüte während der Kolonialzeit hatte, in kleinen Etappen. Von der Guesthouse-Dachterrasse (die höchste der ganzen Stadt) hatten wir, wenn auch nur einmal, weil der Nebel sich tapfer in der Stadt hielt, einen überragenden Blick auf die schneebedeckte Bergwelt des Himalayas – inklusive des höchsten Bergs Indiens Kangchendzönga (8586 m), der auch der dritthöchste Berg der Welt ist.

Überall buddhistische Mönche in den engen vollen Gassen, aber anders als erwartet neben bekannten Mönchskluft meist mit Kopfhörern, schicken Sneakers und Gold-Armbanduhren. Wir besichtigten von Affen eingenommene Tempelanlagen, eine japanische Friedenspagode, verbrachten viel Zeit mit dem lieben deutschen Reisenden Alex aus Berlin und machten eine ausführliche Tee-Verkostung (Danke Hartmut!). Für uns war es saumäßig spannend uns durch die verschiedenen Teesorten und Qualitäten durchzuprobieren – von weißem Tee über Grün- und Silber- zu mehreren Schwarzteesorten. Was wir aber wiederum feststellten: Beim nächsten Mal ziehen wir eine Kaffee- oder Weinverkostung vor! So fein ist unser Gaumen einfach nicht.

 

Der Tag der Farben

„Happy Holi“ hieß es am Tag, als wir in Darjeeling einradelten. Überall flogen Farben, betrunkene Menschen tanzten auf den Straßen, ein Lautsprecher übertönte den nächsten. Sogar wir wurden mit Farbe bestückt! Ein Frühlingsfest im Hinduismus. Für uns der Karneval Indiens.

Wie die Elefanten

Am Straßenrand bieten Straßenverkäufer Zuckerrohr-Saft an. Das ist wirklich fein! Auf der Ladefläche der Verkaufs-Fahrräder befindet sich eine Hebelkonstruktion, mit der die Zuckerrohr-Stangen gepresst werden. Wir kauften uns ein Mal Stangen und vertilgten diese wie die Elefanten in Nepal. Der Saft war ein Genuss, das Essen jedoch sehr anstrengend für unsere Kiefer!

 


Die Hausbesetzer auf der Dachterrasse

Am 31. März 2019 feierten wir Weihnachten in Indien. 

Nach einer langen Reise hatte es unser erstes Problem-Päckchen zu Weihnachten, wegen dem wir in Delhi so lange erfolglos verharrt hatten, tatsächlich bis nach Ost-Indien geschafft, wo es schon eine Weile auf uns wartete. Es war ein richtiges Fest! Zahn-bedrohliche knallharte Springerle-Plätzchen, Sternenregen, Wollsocken und liebe Worte – und das in der Hitze Indiens. 

Dass wir in der Zwischenzeit ein zweites Problem-Päckchen an der Backe hatten, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dieses hätte eigentlich auch schon geliefert sein sollen, kam aber statt dem 28. März erst drei Wochen später an (mit Schuhen in der falschen Größe!). Die zwischenzeitliche Reise des Problem-Päckchens lässt sich mit vielen Verzögerungen erklären, dem Zoll, inkompetenten Zulieferern, Wahlen, Neujahr in Indien,... Alle paar Tage gab es eine neue Hiobsbotschaft.

 

Doch wir können uns mal wieder glücklich schätzen! Denn wir sind bei der geduldigsten und liebenswertesten indischen Familie gelandet, die wir uns vorstellen können. Wir zogen mit unserem Zelt auf deren Dachterrasse ein und von Tag zu Tag wuchs deren und unser Leben ein Stückchen mehr zusammen. Am Ende waren wir Teil der Familie, feierten gemeinsam Neujahr, den Geburtstag der Oma, machten zusammen Familienbesuche und Ausflüge, sangen und genossen unzählige Tassen Tee. 

Es handelt sich dabei um Rahul, der uns über die Radler-Plattform WarmShowers in sein Zuhause aufnahm, seine Strahlefrau Debbie mit Sohn Loe und die überragende Oma Jetima, die gemeinsam in der Kleinstadt Alipurduar wohnen. 

Es folgt ein kleiner Einblick über unsere Erlebnisse.

 

Bhutan zum Greifen nah

Das Päckchen kam nicht und wir blieben.

Deshalb beschlossen wir, dass wir einen Ausflug machen sollten und unsere Gastgeber-Familie war direkt dabei!

Direkt neben der Stadt erstreckt sich ein Nationalpark. Hier wanderten wir los – zu einem Bergdorf direkt an der Grenze zu Bhutan. 

Auf dem Weg nach oben wurden wir zu einem Interview aufgefordert und kamen am Buxa-Fort vorbei – eine Anlage, die während der Kolonialzeit der Briten als Gefängnis für indische Freiheitskämpfer diente. Die vergangene Kolonialzeit ist überall im Land noch immer so präsent!

Tommi & Tine blieben sogar über Nacht im Paradies: Blick über die endlosen Dschungelwälder, durch die sich wie Adern trockene Flussbetten ziehen. Im idyllischen Dorf auf dem Berg fanden wir einen Tempel, der original an das Land Bhutan erinnerte, wehende Gebetsfahnen, bewaldete Hügel im Hintergrund, Ruhe vom chaotischen Indien, liebe und freundliche Menschen, feinstes Essen auf unserer Terrasse im Paradies vor.

Übrigens: Wir wollten den Tempel besichtigen, doch er war geschlossen. Irgendwann liefen drei Jungs in kurzer Sportkleidung und mit Rockband-T-Shirts an uns vorbei. Wir fragten, ob es möglich sei den Tempel anzusehen. Da entpuppten sich die Jungs als buddhistische Mönche... Von wegen Kutte! Wir hatten genau die Richtigen angesprochen.

Hangman-Festival

Am 15. April ist in West-Bengal, der Gegend, in der wir uns gerade befinden, Neujahr. Nun schreiben wir das Jahr 1426.

Zu diesem Tag findet auf der Festwiese der Kleinstadt jährlich ein Festival statt. Rahul erklärte uns, dass sich dort Männer an der Rückenhaut aufhängen und dass wir das nicht verpassen sollten... Es sollte eines der verstörendsten Ereignisse der bisherigen Reise werden!

Die Festwiese war großartig – überall bunte Schirme, viele Menschen und unterschiedlichste Essensbuden. Im Zentrum eine große Menschenmenge, die ein Holzgestell umrundet. Wir standen mitten in der Menge, in der immer wieder Tauben als Opfergabe hochgeworfen wurden. Irgendwann kamen tatsächlich die Protagonisten ins Blickfeld – Männer in bunten Gewändern. Tatsächlich hatten sie je zwei Haken in der Rückenhaut und wurden an diesen an ein Seil gehängt. Die beiden Seile waren wiederum an einer T-Konstruktion angebracht, wo die Männer dann im Kreis flogen. Zu sehen, wie sich die elastische Rückenhaut in die Länge dehnt, war einfach abartig!

Euter-Alarm

Auf unserer Wanderung erzählten wir Rahul & Debbie von verschiedenen Dingen, die wir auf der Reise machen wollen, bevor wir heimkehren können. Eine davon: Tine möchte eine Kuh melken! Debbie´s Gesicht begann zu leuchten und sie beschloss uns einige Tage später in ihr Elternhaus zu bringen – dort auf der Farm im Dschungelwald wartete eine zu melkende Kuh.

Und tatsächlich hockte Tine eine Woche später ohne irgendwelche Instruktionen und unter Beobachtung der Großfamilie neben der Kuh und sollte das minimalistische Euter (kein Vergleich zu einer deutschen Milch-Kuh!) massieren. Intimer als gedacht das Prozedere! Doch tatsächlich kam irgendwann ein feiner Strahl aus dem Euter geschossen.

Buchstaben-Reise, bitte.

Recycling mal ganz anders. Den Reis und auch andere Nahrungsmittel verpackt der Verkäufer uns hier in liniertes Papier mit den Mathe- und Englischhausaufgaben seines Kindes. So nett! 


In wallenden Gewändern

Eines Tages sprach uns bei einer Einkaufs-Radtour in der Stadt auf der Hauptstraße eine Familie an, die uns daraufhin mehrmals in ihr Zuhause einlud. Wir wurden fein bekocht, schwangen die Ukulele und lernten viel über deren religiöse & kulturelle Praktiken. Einmal schenkten sie Tine sogar ein traditionelles indisches Gewand aus meterlangem Stoff – einen Sari, den Tine auch nach langer Diskussion nicht abschlagen konnte.

Kurzerhand gingen wir einige Tage später gemeinsam mit Debbie zum Foto-Shooting in die Teefelder – die beiden Damen aufgetakelt im Indien-Style. Ein wunderbarer Anblick waren diese unzähligen Tee-Bäumchen und dazwischen die bunten Damen.

Wenn wir gerade nicht eingeladen wurden oder etwas Verrücktes unternahmen, kochten wir Unmengen an Reis (Projekt Reisfasten), spielten so viel Ukulele, lasen, kauften die exotischen Gemüse- und Fruchtsorten auf dem Markt leer (wie viele verschiedene Bananensorten es allein gibt), lauschten den Prozessionen der Oma, die einen Schrein auf unserer Dachterrasse hatte, versuchten (meist erfolglos) Alltagsgegenstände wie Klopapier zu besorgen, kauften uns mit einer Tasse Tee ins schickste Hotel der Stadt ein, um mit Internet unsere Reise-Orga zu erledigen, und unterhielten Massen an Gästen, die uns Ausländer betrachten wollten.

 

In der Ebene wird die Hitze von Tag zu Tag unerträglicher, unsere Schweißdrüsen geraten unter Dauerstress und jedes Gewitter versetzt uns in ein Hochgefühl, weil das Thermometer für ein paar Stunden um einige Grad sinkt. Zum Glück haben wir auf unserer Dachterrasse ein schattenspendendes Wellblech-Dach über dem Kopf. 

 

In diesen Wochen durften wir also tatsächlich noch ein anderes Indien kennenlernen. Der Abschied am Ende wird schwer.

 

Auf auf - in Richtung Myanmar!

Drei Wochen später als geplant ist es morgen nun endlich soweit und der Zug – und wir in ihm – rattert laut hupend in Richtung Osten zur Grenze von Myanmar. Natürlich nur, wenn die Zugbegleiter so nett sind und uns samt Fahrrädern im Gepäck mitreisen lassen...

Es wird eine lange mindestens dreitägige aufregende Reise mit Zug & Bussen quer durch den Osten des Landes.

In Myanmar dürfen unsere Räder endlich wieder zeigen, was sie können. Dort lassen wir wieder von uns hören.

Nachtrag: Das heilige Wasser

Wie wertvoll unser Leitungswasser-System in Deutschland ist, das begreifen wir erst so richtig, seit wir hier in Indien weilen, wo Wasser allgemein und vor allem Wasser mit annehmbarer Wasserqualität wirklich wertvoll ist.

Eine beispielhafte Situation, die uns in jenem Moment tatsächlich beschämt hat, war folgende Aussage, die aus deutscher Perspektive das Normalste der Welt ist: "Zuhause duschen wir mit Trinkwasser!" Unserem Freund Rahul sind fast die Augen ausgefallen vor Unverständnis. 

In einem anderen Gespräch ging es dann darum, dass viele Deutsche gerne Mineralwasser trinken. Das führte zuerst bei ihm und dann auch bei uns zu noch mehr Unverständnis: Nun kommt aus unseren Hähnen gutes trinkbares Wasser - warum führen wir dann für den Körper ungesunde Kohlensäure hinzu, füllen es in Flaschen ab, die weitere Abfälle bedeuten und geben dann auch noch Geld für unser Trinken aus? Verrückt ist das.

 

So oder so - den deutschen Standard an gutem Leitungswasser wissen wir nun ganz anders zu schätzen.