Zwischen Yaks & Jurten bis ans Ziel unserer Reise
Beijing, Beijing. Wer hätte das gedacht...?
Vor etwa anderthalb Jahren haben wir uns auf großes Abenteuer begeben mit der Schnapsidee untrainiert & unerfahren mit dem Fahrrad vom Schwarzwald aus nach Peking in China zu reisen.
Und jetzt sind wir tatsächlich angekommen! Besagte Schnapsidee wurde Wirklichkeit. Unsere Schutzengel haben ganze Arbeit geleistet. Wir durften so viele liebe Leute treffen. Und das Leben hat in der Zwischenzeit unzählige unvergessliche Geschichten geschrieben.
Doch wie kamen wir nun eigentlich am Ziel an?
Wir reisten von der laotischen Grenze aus ganz im Süden nach China ein. Bei unserem Tempo und der beschränkten Visa-Zeit wussten wir, dass wir das Land niemals ganz mit dem Fahrrad durchqueren würden und setzten deshalb lieber auf eine für uns schöne Strecke als auf Kilometer durch das dicht besiedelte Flachland.
Die beste Entscheidung, die wir haben treffen können, denn unsere Radl-Etappen in China waren für uns ein mehr als würdiger Abschluss unseres großen Abenteuers.
Für mehrere Wochen radelten wir ganz im Westen des Landes in den Bergen an der tibetischen Grenze entlang. Niemandsland, kaum Zivilisation, und wenn dann meist nur Jurten mit Yak-Herden drum herum, schroffe Berge oder weite Hochebenen, tibetische Sprache, und unzählige buddhistische Mönche & glänzende Klöster.
Wir fühlten uns sehr wohl in der Gegend, denn eines haben wir mit den Menschen dort gemeinsam: Wir alle sind Zelt-Nomaden. Deshalb wurden wir immerzu eingeladen und waren direkt akzeptiert. Außer von der Polizei. Was wir nämlich nicht wussten, war, dass wir im Laufe unserer Strecke ein Gebiet bereisten, das offiziell für Ausländer geschlossen zu sein scheint. (Im Internet ist dazu nichts zu finden, aber die Officer waren sich allerorts einig.) Über mehr als eine Woche lauerten sie uns immer wieder auf, die uniformierten Männer. Unterkunften durften uns – wenn es denn mal welche gab – als Ausländer nicht aufnehmen. Wenn wir in einem Dorf zu Mittag aßen, kamen nach spätestens 15 Minuten Polizeibeamte, kontrollierten unsere Pässe (hatten unsere Dokumente aber auch schon von Kollegen abfotografiert auf dem eigenen Handy) und gaben uns unmissverständlich zu verstehen, dass wir nach unserer Mahlzeit gerade aus und ohne Umwege unserer Strecke zu folgen haben, um das für uns geschlossene Gebiet so zügig wie möglich zu verlassen.
Umso spannender waren dadurch die Begegnungen mit den Menschen in der Region, die nicht so oft mit Langnasen wie uns in Kontakt kommen. Deren Gesichter bei unserem Anblick jedes ein Bild wert!
Auf einem Bergpass erlebten wir eine etwas andere ulkige Situation:
An diesem Tag sollte es soweit sein, dass wir unseren höchsten Pass überqueren würden. Wir kämpften uns hoch und erreichten am späten Nachmittag etwas von der Höhensonne verbrannt die Passhöhe des Mount Rabbit mit 4696 Höhenmetern. Bei den Gebetsfahnen machten wir ein Siegerfoto mit unseren Fahrrädern, als plötzlich ein chinesischer Tourist aus einem der vielen Reisebussen zu uns kam. Er fragte nach einem gemeinsamen Foto. Na, klar! So standen wir da, wir grinsend mit den Rädern und er mit seiner Sauerstoff-Flasche, die er sich für seine Passüberquerung mit dem Bus zugelegt hat.
Tibet schnuppern
Auch wenn – oder vielleicht gerade weil - wir nicht durch das offizielle Gebiet Tibets reisten, erlebten wir tibetische Kultur hautnah. An der Grenze zu Tibet ganz im Westen Chinas darf die tibetische Kultur – anders als im offiziellen Tibet – nämlich weiter gelebt werden. Im offiziellen autonomen Gebiet Tibets wird durch die strikte Siedlungspolitik der Regierung Chinas die geschichtsträchtige Kultur bekämpft. Tibet ist dabei nur ein Beispiel wie in der Volksrepublik mit unerwünschten Volksgruppen umgegangen wird. Hallo Menschenrechtsverletzung! Knallhart zu sehen, wie die Welt zwar dann & wann über Missstände wie diese berichtet, aber aufgrund der weltumspannenden Wirtschaftsbeziehungen mit China kaum Konsequenzen gezogen werden. Von niemandem.
Aber zurück zum Thema: Die Menschen, die wir am Wegesrand treffen durften, sind sehr stolz auf ihren Hintergrund und sprechen von sich als Tibeter statt sich als Chinesen zu bezeichnen. Deshalb wurden wir auch über Nacht in tibetische Haushalte eingeladen, um deren Kultur kennenzulernen. Unser Chinesisch-Vokabular, das wir uns extra angeeignet hatten, hätten wir uns sparen können; alle sprechen nur tibetisch. Und wenn auch nicht in der Mongolei, wie wir uns das vor der Reise ausgemalt hatten, durften wir nun hier endlich Yaks sehen und sie beim Weiterziehen in ihrer Herde beobachten.
Tibetischer Buddhismus
Dem Buddhismus waren wir während der vergangenen Monate ohne es zu planen stets gefolgt. Seit Nepal umrundeten wir ein Gebiet, das sich über viele Staaten erstreckt, und in dem der Buddhismus fester Bestandteil der Kultur darstellt. In den chinesischen Regionen Yunnan, Sichuan und Qinghai erlebten wir mit dem tibetischen Buddhismus jedoch etwas ganz anderes als in den südostasiatischen Ländern zuvor: Hier gingen nicht die buddhistischen Mönche im Dorf auf Bettelgang; stattdessen schienen die Mönche die wohlhabendsten Menschen der Region zu sein. Während das normale Volk zumeist in Jurten oder Hütten lebt, erstrahlt der Tempel immer schon von weitem mit den golden glänzenden Dächern und ist das prunkvollste Gebäude (oder sogar das einzige) der Gegend. Mönche stiegen aus den schicksten Autos, trugen dicke Uhren, waren in der Mehrzahl die Gäste in Restaurants & feinen Hotels und gaben nun selbst Menschen Almosen und nicht mehr umgekehrt.
Tibetische Feinheiten
„Gerste wächst auch in großer Höhe und ist die wichtigste Feldfrucht Tibets. Das aus den gerösteten Körnern gemahlene Tsampa ist ein Grundnahrungsmittel des Landes.“ Und so hat jeder Haushalt Tsampa in großen Mengen, was für so ziemlich alles verwendet wird. Als zähflüssige Pampe mit Butter, heißem Wasser und harten Körnern ist es für uns Langnasen nur mit viel Zucker genießbar (aber satt macht es!), für alle möglichen Teiggerichte, zum Verlängern der Mahlzeiten, im Buttertee,...
Der tibetische Buttertee begleitete (oder verfolgte – so genau wissen wir das nicht) uns während unserer Zeit in den Bergen. Manchmal mit Yak-Milch, manchmal ohne, aber auf jeden Fall mit viel Butter und heißem Wasser. So wurden wir in jedem Haushalt, den wir besuchen durften, ohne Pause damit abgefüllt und fühlten uns tatsächlich etwas geehrt. Nur unsere Thermoskanne mochte die säuerliche Note, die die Butter für mehrere Wochen hinterließ, nicht.
Als Tine ihr vom Spaziergang einen Blumenstrauß von der Yak-Wiese mitbrachte, wollte sie direkt gerne fotografiert werden. Auf einem durchgewetzten Ledersessel sitzend, strahlte sie eine Seelenruhe aus, während sie auf ihrem Stammplatz am Ofen posierte. Danach schenkte sie sich um die Mittagszeit erstmal einen Becher Wein ein und verlängerte das Getränk mit Schnaps.
Sie war eine der fleißigen Damen, die eifrig dazu beitrugen unseren Butter-Spiegel im Blut immerzu oben zu halten. Ein "Nein" zu weiterem Buttertee wurde nicht akzeptiert.
Herz am rechten Fleck
Im Revier von Bären und Wölfen
Was uns während der Zeit auch sehr beschäftigte, waren nun nicht mehr die Moskitos sondern die wilden Tiere wie Bären & Wölfe. Jeden Tag fragten wir Einheimische, wie es in der Region um uns stand, wenn wir zelten würden. In einer Nacht waren sich alle einig: Weiter hoch sollen wir nicht fahren! Was tun?
Am frühen Nachmittag schlug uns eine junge liebe Frau vor neben ihrer Jurte das Zelt aufzuschlagen, um sicher durch die Nacht zu kommen. Dankend nahmen wir das Angebot an und hatten es so nett mit ihnen! Tine durfte endlich Baby-Yaks streicheln, der kleine 6-jährige Sohn half uns flink mit dem Zeltaufbau, während die Yak-Herde zum Melken her getrieben wurde. Den Abend verbrachten wir gemeinsam - natürlich bei Buttertee - in deren Jurte. Als kleines Dankeschön packten wir vor dem Schlafen unsere Ukulele aus. Als wir anfingen „Probier´s mal mit Gemütlichkeit“ zu singen, strahlte die Frau über beide Ohren und der Junge gluckste aufgeregt & fröhlich. Das war verrückt, sangen wir doch in einer ihnen komplett fremden Sprache!
Das Essen wird knapp!
Wir hatten keinen Spaß. Es ging bergauf, wir hatten unsere Handschuhe zum Radeln ausgepackt und der Wind pfiff ordentlich. Unser Proviant war alle und wir kamen nur schleppend voran. So gerne wollten wir in einem Auto mitfahren, aber es fuhren kaum welche.
...Irgendwann sahen wir in der Ferne einen Jeep kommen. Wir sprangen von den Rädern und wedelten aufgeregt mit unseren Händen. Und tatsächlich! Das Gefährt hielt an und die Männer fackelten nicht lange. Zwei Minuten später waren die Räder auf der Ladefläche und wir mit heißem Tee versorgt im Jeep. Der Fahrer versuchte uns irgendetwas zu sagen. So richtig wussten wir leider - wie so oft - nicht was.
Nach einiger Zeit hielten wir plötzlich an einer großen Straßenbaustelle. Die Männer gaben uns zu verstehen auszusteigen. Da saßen wir kurz darauf mit allen Baustellenarbeitern am Straßenrand. Jeder mit einer großen Suppe, einem Becher Reis und Fleischgericht versorgt. Es war Mittagspause für die Arbeiter der Region und wir waren eingeladen.
(Die nächsten Tage fuhr immer wieder freudig hupend der Essens-Jeep, der die Bauarbeiter versorgte, an uns vorbei und fragte, ob wir wieder eine Mahlzeit haben wollten.)
Endspurt
Und schlussendlich waren wir wirklich am Ziel der Ziele. Wir machten im eigentlich chinesischen Peking eine Art schwäbischen Heimaturlaub bei Freunden über Ecken. Empfangen mit feinster original italienischer Pizza und einer (und noch einer) guten Flasche Wein, guten Gesprächen und viel Lachen war der erste Abend ein Auftakt für eine herrliche Woche Auszeit von unserem Reisealltag. Nun sind sie nicht mehr Freunde über Ecken, sondern unsere Freunde ohne die Ecken. Danke Euch (auch für den Löffel)!
Auch in Peking erlebten wir wieder Geschichten, die ein Buch füllen könnten, aber das erzählen wir Euch bei Gelegenheit bald mal einfach persönlich (sonst wird dieser Tagebucheintrag nie fertig und veröffentlicht...).
Während Du das hier liest, sind wir tatsächlich schon auf der Heimreise und nun nicht mehr gen Osten sondern gen Westen unterwegs. Aber keine Sorge, es bleibt spannend!