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10945 Kilometer - Auf Gleisen durch sieben Zeitzonen.

Auf Gleisen durch sieben Zeitzonen.

Eine Woche in der transsibirischen Eisenbahn

Beijing Railway Station. Wir aufgeregt. Die Räder bereits im Gepäckwagen verstaut.
Beijing Railway Station. Wir aufgeregt. Die Räder bereits im Gepäckwagen verstaut.

Schon seit langer Zeit hatten wir beschlossen: Wir wollen die Heimreise gerne in aller Ruhe angehen. Und dafür hätte es kein besseres Reiseziel als Peking geben können...

 

Wehmütig nun wirklich die Heimreise anzutreten und gleichzeitig aufgeregt, dass wegen der vielen Kontrollen am Bahnhof, die wegen des bald bevorstehenden chinesischen Feiertags eingeführt wurden, uns unser Zug vor der Nase davon fahren würde, waren wir ein Mal pünktlich! Die Kontrollen ließen selbst unser stumpfes Buttermesser aufgrund von Terrorgefahr konfiszieren. 

 

Und dann saßen wir wirklich drin in dieser transsibirischen Eisenbahn, von der ein Mythos auszugehen scheint.

(Denn wir bekamen echt viele sehnsüchtige Nachrichten von Menschen, die alle schrieben, sie möchten so gerne auch mal in der transsibirischen Eisenbahn reisen. Falls Du dazu gehörst, dann mach es! Innerhalb Russlands ist es ein echtes Schnäppchen. Das Prozedere die Tickets zu kaufen, braucht ein wenig Einarbeitungszeit. Zumindest, wenn man sein Ticket nicht überteuert im Reisebüro kaufen möchte. Wenn Du also Deinen Traum verwirklichen magst: Wir geben Dir richtig gerne Tipps und helfen Dir bei der Vorbereitung Deiner Reise quer durch Russland!)

Lustig ist der Mythos, denn eigentlich handelt es sich bei der transsibirischen Eisenbahn einfach nur um einen Zug! Aus deutscher Sicht trotzdem besonders, da es ein Zug aus lauter Schlafwagen ist. Und das gibt es in Deutschland ja gar nicht mehr...

 

So ratterten wir mit der Zeit mit, durchquerten viel zu viele Zeitzonen in kurzer Zeit und machten mehr als 8000 Schienenkilometer auf dem Weg nach Westen. Vor allem noch weit im Osten gefiel uns die Landschaft sehr. Weite, Herbstfarben, Blockhütten. Wir wären am liebsten direkt wieder ausgestiegen und selbst geradelt. 

 

Die Tage vergingen wie im Flug, wir in unserem Schlafwaggon mit 40 anderen Mitfahrenden, und feierten Russland und die Russen sehr. Zuerst guckten sie schon immer ganz schön grimmig, fanden wir. Doch wenn wir einmal ins Gespräch kamen, platzte diese harte Schale nach und nach weg. Einige Stunden später wollten sie uns am liebsten ihren ganzen Essensvorrat vermachen und luden uns in ihre Heimat ein. Die Menschen in Russland waren unglaublich offen, hilfsbereit und einfach cool! Die Rücksichtslosigkeit der Menschen untereinander, die uns in China so rasend gemacht hatte, war mit einem Schlag vorbei. Wie schön.

 

Achtung, Überraschungsmoment!

Ein echt ungemütlicher Grenzübertritt von China nach Russland, bei dem wir in den frühen Morgenstunden unerträglich lange im Kreuzverhör der russischen Beamten saßen - warum wir, als einzige Fahrgäste des ganzen Zuges, wissen wir bis heute nicht. Am selben Tag stand plötzlich das Zugpersonal in unserem Abteil und fragte: "Why did you forget your bicycles in Beijing?" Tja, ja. Da hatten wir den Salat. Oder eher: Wir hatten keine Fahrräder mehr. Die Angestellten des Pekinger Bahnhofs hatten tatsächlich vergessen unsere Räder samt Gepäck in den Zug zu laden. Statt einer geruhsamen Zugfahrt folgten fünf Tage des Bangens, viel Kommunikation und Organisation mit Menschen, mit denen wir keine gemeinsame Sprache teilten, und Überlegungen, wie wir nun eigentlich unsere Reise ohne die Räder beenden wollen.

Unsere bisher treuen Begleiter, die Fahrräder, fuhren derweil in vier unterschiedlichen Zügen mit, reisten ohne uns durch die Mongolei, steckten sprachlos im Zoll fest und machten es bis zur letzten Minute spannend. Zum Glück gibt es "überall auf der Welt Freunde", wie der Russe Vasili mit einem Lächeln auf den Lippen auf unsere Dankbarkeit erwiderte. Er war unser Held, wir wissen nicht mit welchen russischen Methoden er es fertig brachte - wollte er uns auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht verraten. Jedenfalls schaffte er es im letzten Moment uns unsere Räder zurückzuerobern, bevor wir Russland verlassen mussten, weil unser Visum auslief. Wir Glücksschweine!

 

Sibiriens Badewanne.

Hiermit sprechen wir unseren ultimativen Reisetipp aus: Der Baikalsee und der dazugehörige Fernwanderweg "Great Baikal Trail".

20 Prozent des Süßwasser-Aufkommens auf der Welt befinden sich im See. Trinken kann man direkt aus diesem. Ein absolutes Schätzchen mit einmaliger Tierwelt, herrlicher Küste und vielem, was es zu entdecken gibt.

Um selbst auf Entdeckungstour durch den Herbst zu gehen, machten wir mehrtägigen Zwischenstopp in Irkutsk, und wanderten für zwei Tage an der Küste entlang. Durch Sibirien mit Flip-Flops, denn unsere richtigen Schuhe reisten ja lieber durch die Mongolei. Leider zeigten sich uns die Baikal-Robben nicht. Es war trotzdem ein Augenschmaus...

 

Idyll auf Schienen

Schlummern, den Stimmen der Mitfahrenden lauschen, Tütensuppe, die vorbeiziehende Landschaft betrachten, lesen, Vesper mit unseren Waggon-Freunden teilen, ne Runde Schach, frische Luft auf dem Bahnsteig schnappen, Mittagsschlaf, Hörbuch hören, ein Käffchen trinken, und noch eins, Gedanken niederschreiben, weiter nach draußen schauen,...

Dazu das monotone Rattern des Zuges, unserem Zuhause für mehrere Tage.

 

Was uns immer wieder schockierend auffiel, waren die Deutschkenntnisse unserer älteren russischen Mitfahrenden, die diese stolz und lachend zur Schau trugen. Neben Höflichkeitsfloskeln kamen täglich Ausrufe wie "Achtung!", "Schwein", "Hände hoch" oder "schießen". Die Geschichte holt uns immer wieder ein! Zum Glück tat dies unserem geselligen Beisammensein keinen Abbruch.

 

So ein Jammer, dass wir genau Russland "übergingen" und statt zu radeln im Zug saßen. Aber bis Weihnachten ist es nun einfach nicht mehr lange, und da wollen wir auf jeden Fall zu Hause sein. :)

Das Gute im Leben ist und bleibt: Das Ende eines Traumes kann der Anfang eines neuen Träumchens sein...

 

Schließlich schenkte uns der Zug genau das, was wir uns von der Fahrt erhofft und gewünscht hatten: Zeit für Ruhe und ein wenig Besinnung, dass wir uns nun auf dem Heimweg befinden und unser Abenteuer sich dem Ende neigt.

 

...Und er brachte uns tatsächlich bis nach Europa zurück!
...Und er brachte uns tatsächlich bis nach Europa zurück!

Europa. wir können es selbst noch kaum fassen!